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Knapp zwei Jahre nach PC-Veröffentlichung wird die Welt wieder ein bißchen gerechter: Auch Amiga-Reporter dürfen sich nun in die Schlacht um Schlagzeilen stürzen. Und im Vergleich mit Ikarions irrwitzigers Zeitungssim wirkt selbst die "Bild" wie ein Ausbund an Seriosität!
Von MANFRED DUY

Kein Wunder, allein die Auflistung der an diesem digitalen Revolverblatt beteiligten Personen läßt schon Schlimmes befürchten: Projektchef Ralph Stock zeichnete zuvor für Rainbow Arts' televisionäres Gegenstück "Mad TV" verantwortlich, die ulkigen bis unanständigen Bilder gehen auf das Konto des grafischen Familienbetriebs Kandemiróglú ("Biing"), und die in typischen "Yello"-Sound gehaltene Musik steuerte Altmeister Chris Hülsbeck ("Turrican") bei.

Tja, und die größenteils wahnwitzigen Schlagzeilen im Stil von "Pelzmantel beißt Frau!" entnahm man dem (zwischenzeitlich leider eingestellten) Satirenmagazin "Neue Spezial". Dieses Dream-Team verging bereits am Original und schlug auch am Amiga wieder zu - mit einer bis auf die runderneuerte Akustik, dem leicht abgesteckten Intro und der fehlenden Druckoption identischen Umsetzung der DOSen-Ausgabe.

Sinn und Zweck der ganzen Echtzeit-Übung ist es, das atemberaubend niveaulose Käseblättchen "Mad News" in eine auflagenstarke Tageszeitung zu verwandeln. Dazu schlüpft man in die Rolle von Verlagsdirektor Steve Feinbein, dessen Arbeitsplatz sich in einem ausrangierten Ozeandampfer mit fünf Decks und 21 Kabinen befindet.

Ursprünglich war Steve bei einem Fernsehsander (na, welchern wohl?) beschäftigt, bis er versehentlich mal einen Porno aus seiner Sammlung über den Äther gehen ließ - Und das ausgerechnet am Heiligen Abend! Der unvermeidliche Rauswurf wurde gottlob von seinem Schwiegervater weich abgefedert, denn der ist zufälligerweise der Besitzer des schwimmenden Verlagshauses und verschaffte Steve den Posten des alleinverantwortlichen Zeitungschefs.

Leider packte er seine bildhübsche, aber hundsgemeine Tochter Bea ebenfalls mit in das Rettungspaket; sie hat ein eigenes Büro auf dem Kahn und kann ihrem Angetrauten das Leben nun auch tagsüber mit ungenießbaren Artikeln und ötzenden Vorwürfen vergällen.

Der schlaue Steve will sie daher mit allerlei fiesen Geschenken von Bord vergraulen: Gutscheine für Schönheitsoperationen, Stinkbomben, ein bösartiger Flaschengeist und desgleichen Aufmerksamkeiten mehr.

Doch jedes Präsent (dessen Erfolg an einem "Haß-O-Meter" am unteren Bildrand abzulesen ist) kostet eine Stange Geld, und so muß er versuchen, über gesteigerte Verkaufserlöse und Werbeeinnahmen an die ganz große Markt zu kommen. Dummerweise gibt es aber mit "Bad News" und "Sad News" auch noch zwei direkte Konkurrenten, die ihre Kojen just auf demselben Verlagsliner ausgeschlagen haben...

Das Spielgeschehen startet Tag für Tag mit dem Rapport beim ewig nörgelnden Chef, der sich von natleidenden Redakteuren (also allen) aber auch mal anpumpen läßt. Anschließend jagt man Steve mit Mausklicks durch die Gänge des von der Seite zu sehenden Luxusliners, hinter dessen 21 Türen sich sämtliche Anlaufstellen verbergen; allen voran das eigene Büro mit dem Layout-Computer, auf dem täglich die sechs Mad News-Seiten mit Artikeln, Fotos und Anzeigen gefüllt werden müssen - wer kann, darf auch bis zur übernächsten Ausgabe verarbeiten. Dies geschieht per Maus in einem DTP-ähnlichen Drag & Drop Verfahren, bei dem Größe, Spaltenbreite und Plazierung frei bestimmbar sind.

Zuvor muß man sich natürlich erst mal "Stoff besorgen" der ins Blatt kommen soll, wofür u.a. vier Faxgeräte im Nachrichtenraum zuständig sind, über die ständig die teils bereits bebilderten und je nach Aktualität unterschiedlich teuren Neuigkeiten eintrudeln. Nachdem es mit deren Wahrheitsgehalt meist nicht gerade zum besten steht, kann man seine Redakteure und Fotografen auch mit eigenen Recherchen beauftragen.

Das ist zwar kostspielig und manchmal unergiebig, hat im Erfolgsfall aber eine exklusive, sprich auflagensteigernde Schlagzeile zur Folge. Keineswegs billige, doch dafür wenigstens schon fixfertige Exklusivgeschichten lassen sich auch von einer Agentur kaufen.

Schließlich gibt es noch die regelmäßigen Rubriken Sport, Rätsel und Wetterbericht, für die der jeweilige Anbieter neben der einmaligen Lizenzgebühr jedesmal weitere Zahlungen verlangt, deren Höhe sich nach der Qualität der bestellten Ware bemißt: Beispielsweise sind die Prophezelungen eines Wetterfroschs weitaus günstiger zu haben als die eines High-Tech Wettersatelliten.

Des weiteren können Kommentare, Kochrezepte, Comic- und Pinup-Serien eingekauft werden, um damit gezielt bestimmte Lesergruppen vom akademischen Eierkopf bis zum einsamen Bauarbeiter zu bedienen.

Redaktionsintern hat man jedoch gerade in der Anfangsphase noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Das mickrige Betriebskapital erlaubt es nämlich nicht, die komplette Zeitung mit sinnvollen Meldungen zu füllen; daher greift der Sensationsjournalist in seiner Not zwangsläufig auf Beas Grafis-Artikel zurück, was wiederum den Nachteil hat, daß die Zicke dadurch ständig bei Laune gehalten wird - und man will sie ja eigentlich vergrätzen, indem man sie im Blatt möglichst nicht mehr zu Wort kommen läßt!

Zu allem Überfluß treiben sich japanische Spekulanten auf dem Schiff herum, die jeden Tag ein anderes Büro wegen Renovierungsarbeiten schließen. Gottlob kann man auf einem Lageplan sehen, welchen Raum sie als nächstes ins Schlitzauge gefaßt haben und durch ein KLEINES GELDGESCHENK dann wenigstens die Blockade seines Arbeitsplatzes verhindern.

Im Verlagswesen tätige Menschen wissen, daß fast alle periodisch erscheinenden Drückwerke zu ihrem wirtschaftlichen Überleben auf Werbeanzeigen angewiesen sind. Bei deren Auswahl ist hier jedoch besondere Sorgfalt vonnöten, denn die Anzeigen müssen nicht nur innerhalb eines meist mehrögigen Zeitrahmens geschaltet werden, die Kundschaft verlangt zudem eine Mindesauflage - wird diese nicht erreicht, drohen Konventiontionalstrafen in existenzfefährdender Höhe.

Viel erfreulicher ist es natürlich, wenn der Erfolg eine Ausweitung des Vertriebsnetzes erzwingt, was sich bequem vom Büro aus erledigen läßt, indem man auf einer anklickbaren Landkarte die entsprechenden Lkw- und Flugrouten zu maximal 50 Städten einrichtet. Die eingenommene Geld wird in besseres Papier oder Radio- und TV-Spots investiert, um den Bekanntheitsgrad der Postille drastisch zu erhöhen.

Wie das Produkt bei bestimmten Lesergruppen ankommt, erkennt man anhand der schmökernden Figuren am unteren Bildrand, die ihre Meinung via Sprechblase kundtun: "Jetzt weiß ich endlich, was ich morgen kochen soll" oder "Dieses Blatt bringt null Informationen".

DER ARBEITSTAG BEGINNT hier pünktlich um 18.00 Uhr und wird in erster Linie von der unerbittlich verrinnenden Zeit (mit dreifach einstellbaren Tempo) bestimmt, denn ab 20.00 Uhr geht stündlich eine Seite in Druck - selbst wenn diese leere Stellen enthält!

Da bleibt kaum noch genügend Muße zur Freude über die vielen lustigen Bilder, die zahlreichen Statistiken, die fetzige Musikbegleitung samt den wenigen Soundeffekten und vor allem die irren Meldungen, von denen es hier nur so wimmelt. Weitere Kostproben gefällig? Bitte sehr: "Monster von Loch Ness gefangen", "14 Tage am Briefkasten festgeklemmt", "Ärzte entdecken Zwillinge im Gehirn eines Mannes"...

So wunderbar das alles ist, ein technisches Manko trübt das schöne Bild doch: Der mäßig animierte Steve gehorcht zwar perfekt der Maus, aber er bewegt sich dabei lähmend langsam und äußerst ruckelig durch die Gänge des etwa vier Bildschirme großen Luxusliners. Und das zerrt besonders wegen des immensen Zeitdrucks ziemlich an den Nerven.

Auf der anderen Seite ist uns aber auch in der Realität keine Redaktion bekannt, deren Arbeitsalltag nicht aus purem Streß bestehen würde. Das Fazit lautet daher dennoch kurz und brüllend komisch: Mad News ist ein äußerst lustige und dabei trotzdem sehr komplexe, durchaus wirklichkeitsnahe und komplett deutsche Wirtschaftssim, die nahtlos an den Klassiker "Mad TV" anknüpft.