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Daß digitaler Geschichtsunterricht packend sein kann, hat Max Design ja bereits mit "1869" bewiesen - frisch aus dem PC-Klassenzimmer folgt jetzt die zweite Lektion für Wirtschaftssimulanten mit Amiga!

Während die recht exakten Recherchen zum stilgerechten Aufbau eines Automobil Imperiums von Max Designs stamen, wurde mit der Amiga-Umsetzung die alpenrepublikanische Fraktion der Intro- und Demo-Gruppe Alcatraz betraut - ihnen ist für AGA-Rechner eine sehr gute Konvertierung geglückt, und auch in der Standardfassung können sich die Schnauferl noch sehen lassen:

Das Spielziel besteht für ein bis zwei angehende Konzernbesizter darin, vom Tag der Firmengründung anno 1896 bis zum Jahr 1929 in Monatsrunden und trotz rechnergesteuerter Konkurrenz zum größten Autohersteller weit und breit zu avancieren. Dazu schnappt man sich ein rund vier Screens großes Fabriekgelände in Italien, Deutschland, Österreich, Frankreich oder England, das anfangs nur aus einem Verwaltungsgebäude nebst Lager besteht.

Also sichtet man erst mal das karge Startkapital, um es dann in Abteilungen für Fertigung und Forschung zu investieren. Besonders letztere ist wichtig, da dort nicht nur Bauteile entwickelt, sondern auch die für die Serienproduktion notwendigen Prototypen montiert werden.

Im Lauf der Zeit läßt sich das aus der Vogelperspektive dargestellte Gelände dann mit insgedamt 13 verschiedenen Gebäuden zupflastern; darunter auch eine Laderampe für die vorhandene Bahnlinie um die benötigten Rohstoffe wie Stahl, Glass und Gummi für selbstkreierte Autoteile schneller herankarren zu können.

Zu Beginn lohnt sich das langwierige Tüfteln an eigenen Produktion aber nocht nicht, statt dessen beauftragt man seinen Lageristen damit, Angebote für Motoren, Fahrwerke und Karosserien von Fremdherstellern einzuholen. Aus dem Lieferungen wird schließlich ein Prototyp zusammengeschraubt, der auf AGA-Rechnern eine Probefahrt durch farbenprächtige, wenn auch etwas grob geratene Voxellandschaften absolvieren darf.

Gesteuert und geschaltet wird das Töff-Töff dabei mit Joystick, Pad oder einer Maus/Tastatur-Kombination recht eingängig, und sollte das Fahrverhalten zufriedenstellend sein, darf man daran denken, das Fließband anzuwerfen...

Jetzt kommt also die Fertigungsanlage ins Spiel, wo die Bauteile anfangs noch von hand (oder teilmaschinell) durch Facharbeiter zusammengepfriemelt werden - das besagte Fließband oder auch billiger Hilfskräfte kommen erst später zum Einsatz. Doch ob gelernt, ungelernt oder Ingenieur, die Belegschaft muß stets erst mal vom Personalchef eingestellt werden und dann einen Arbeitsplatz und auch ein Arbeitstempo zugewiesen bekommen.

Wer dabei Massenkündigungen vermelden will, sollte sich bei Löhnen und Arbeitszeit übrigens nicht allzu weit von den Vorstellungen der Gewerkschaft entfernen. Irgendwann knattert dann die erste selbstgebaute Benzinkutsche aus der Halle, um in die maximal fünf Modelle pro Filiale umfassende Angebotspalette aufgenommen zu werden.

Der Verkauf läuft über die büroeigene Europakarte, wobei zunächst nur der Heimatstandort als Absatzgebiet in Frage kommt. An Zweigstellen ist erst zu denken, sobald Händlerrabatte und Werbemaßnahmen wie Anzeigen, Plakate oder Ausstellungen greifen.

Als AGA-Produzent hat man aber auch noch eine weitere Möglichkeit, zu Ansehen und Marktanteilen zu gelangen: Siege in den ähnlich wie die Testfahrten ablaufenden Rennen, welche freilich die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Boliden voraussetzen.

Sind dann mal die ersten Autos über das Bilanzbuch (wo sich zudem diverse Statistiken verstecken) ausgeliefert, kann sich der geschäftstüchtige Magnat an die Errichtung eines flächendeckenden Netzes von Niederlassunge sowie die ersten absatzträchtigen Eigenentwicklungen machen.

Nach und nach lassen sich die Minis, Mittelklassewagen und Luxuskarossen auch mit Extras wie Gummireifen oder Windschutzscheiben ausstatten, was sich auf die Dauer trotz der damit verbundenen Kosten für die zeitintensive Umstellung der Produktion als unumgänglich erweist. Aber wozu darf man schließlich mit seiner Hausbank über die Höhe des Kreditrahmens feilschen?

Ab und an informiert eine Zeitung über wichtige Ereignisse, denn die Erfindung des Elektrostarters oder der Ausbruch des 1. Weltkriegs beeinflussen die Branche natürlich nachhaltig. Dabei ist uns in der Joker-Werkstatt allerdings ein Bug aufgefallen, der mittlerweise hoffentlich behoben wurde: Statt eines Boykotts des Kriegsgegners kam es zu einer Flut von Bestellungen!

An der Grafik gab und gibt es indessen wenig zu mäkeln, denn die stimmungsvollen und teilweise animierten Menüscreens, die originalgetreuen Bilder der Schnauferl und die eingeblendeten Digi-Filmchen sorgen für viel optische Abwechslung.

Und beim Blick auf sein Firmengelände sieht man oft winzige Arbeiter umherwuseln oder eine Lokomotive mit dampfendem Schlot über den Screen stampfen.

Schade nur, daß die kleine, aber feine Fahrsimulation den AGA-Amigos vorbehalten bleibt und das Digi-Lexikon der CD-ROM Version gänzlich fehlt. Schade auch, daß die spärlichen Sound-FX und die nervigen (aber abstellbare) Musik nicht mit der übrigen Präsentation mithalten können und das Handling bisweilen ein wenig umständlich geraten ist.

So müssen z.B. Rabatte und Werbeetat für jede Filiale gesondert bestimmt warden, und auch die gelieferten Rohstoffe verteilen sich nicht automatisch auf die vorhandenen Lager - ab einer gewissen Firmengröße wird es somit unübersichtlich. Sonst funktioniert die Steuerung aber gut, und das gebundene Handbuch mit dem reich bebilderten Teil über den geschichtlichen Hintergrund ist eine wahre Freude.

Man muß also kein Historiker sein, um bei Oldtimer einzusteigen - bleibt zu hoffen, daß die komplexe Simulation bald wie angekündigt mit den "Boliden" der Wirtschaftswunderjahre fortgesetzt wird! (st)