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Ein Jump & Run, das von der DOSe zum Amiga kommt, anstatt umgekehrt? Ungewöhnlich, aber verdächtig, denn oft genug lohnen originale PC-Plattformen die Umsetzung einfach nicht. Doch Rainbow Arts' Aufziehpüppchen ist die berühmte Ausnahme von der Regel!

Daß herzallerliebste Spielzeug-Mädel Lolly turnt seit rund einem halben Jahr über den PC, und für ihren Ausflug in die Amiga-Region haben sich die Konvertierer nicht lumpen lassen: Handhabung und Präsentation wurden an die Verhältnisse am A500 angepaßt, der einst hammerharte Schwierigkeitsgrad entschärft.

Neben der Tastatur wird jetzt also jedes gängige Zwei-Button-Pad unterstützt, die stellenweise wirklich knallbunte Optik scrollt noch bei höchstem Feindaufkommen parallax bzw. in mehreren Ebenen - und man mag kaum glauben, daß eine solch geschmeidige Grafikpracht ohne AGA-Chipsatz überhaupt zustande kommen kann!

Doch so gerne das Auge auf dem wunderbar inszenierten Schneegestöber des Eislands oder auf den liebevollen Hintergrundanimationen im Horror-schlößchen verweilen möchte, es sollte auf die kleinen und großen Angreifer gerichtet werden - zumal dem Spieler ein Zeitlimit im Nacken sitzt.

Mit (optional dauerfeuernden) Wurflutschern bewaffnet, verteidigt Lolly ihre wahlweise drei, fünf oder sieben Leben zunächst in einer Spielzeugfabrik gegen amoklaufende Teddybären und Plüsch-Primaten, begegnet dann im Wolkenland aggressiven Himmelsbewohnern, muß den fliegenden Konditoren des Gebäckreichs die Flügel stutzen oder den Killerbienen der Unterwelt zeigen, wo Bartel den Honig holt.

Vorrangiges Ziel ist allüberall die Suche nach viel Puzzleteilen, welche in komplettiertem Zustand den Weg zum lokalen Endgegner und schließlich in den nächsten Level ebnen.

Diese Bruchstücke verbergen sich in Schatzkisten, genau wie Zusatzleben, Schutzschilde, neue Energiereserven, weitere Lutscher (als Smbol für geringfügig mehr Schußkraft), Sprungschuhe oder Smartbombs in Form von Fotoapparaten. Dochn wollen die Truhen erst mal gefunden sein: Viele davon offenbaren sich erst nach Beschuß kaum gekennzeichneter Stellen, andere liegen in den oft groß und labyrintisch angelegten Geheim-Abschnitten versteckt, von denen es in jeder der acht Welten drei bis vier gibt.

Dieses wenig originelle, aber grundsätzliche sehr packende Spielprinzip weist allerdings auch ein paar Schwachstellen auf. So mag das gemächliche Tempo der Schatzsuche ja noch Geschmackssache sein, aber in der Hitze des Gefechts kaum zu erkennende Sammelicons für Umkehr-Steuerung oder Giftrationen sind schlicht lästig und überflüssig!

Daß wirklich neue Elemente weitgehend fehlen und man abbröckelnde Felsblöcke, per Schalter zu aktivierende Plattformaufzüge oder Mini-Puzzles der Sorte "Finde Schlüssel A zu Tor B" inzwischen schon sehr, sehr oft gesehen hat, ist indessen verzeihlich; schließlich vermögen solche Features ja doch zu motivieren.

Als kleine Motivationskiller erweisen sich aber die Levelcodes, da sie auch die Anzahl der Restleben enthalten - der Sinn dieser eigentlich so sinnreichen Einrichtung ist damit doch deutlich geschmälert. Mitunter werden nämlich auch Levelexits nicht erkannt bzw. erst dann, wenn man ein Leben opfert, um vom zuletzt besuchten Restart-Punkt aus einen neuen Anlauf zu wagen.

Und weil wir gerade beim Nörgeln sind: Daß beim Spielen von Festplatte mit nur 2 MB RAM unter Einsatz des Amiga-Bootmenüs sämtliche Laufwerke (bis zu die Partition, auf der sich das Game befindet; also nicht unbedingt die Boot-Partition, wie die Anleitung behauptet!) abgeschaltet und das Programm dann per Shell von Hand gestartet werden muß, ist ebenfalls nicht der Weisheit letzter Schluß.

Andererseits sollte man die Kirche bei aller Kritik schon im Dorf lassen, denn daß eine HD-Installation überhaupt möglich ist, gilt in diesem Genre ja noch immer nicht als Selbstverständlichkeit - genau wie das gelungene Floppy-Handling, das kaum Diskwechsel erfordert und flott nachlädt.

Vor allem aber stimmt einfach der Spielspaß, da beißen weder Innovationsmangel noch Technikschnitzer einen Faden ab. Das liegt an den vielen versteckten Feinheiten im Game und dem gekonnten Leveldesign, das zwar sehr wohl gemeine Angriffsformationen und frustige Pixel-Sprungstellen beinhaltet, jedoch nicht eine wirklich unfair Stelle.

Man kann es nicht anders sagen, Lollypop versprüht einfach diesen gewissen Charme: Wenn Facklen den düsteren Keller ausleuchten, im Märchenwald sanft der Regen tröpfelt oder in der Gruselstadt mottenzerfressene Vorhänge aus blinden Fenstern wehen, dann kommt Stimmung auf! Auch webt die hervorragende, stets zum aktuellen Szenario passende Begleitmusik einen atmosphärisch dichten Klangteppich, bloß schade, daß sie nicht gemeinsam mit den Sound-FX ertönt.

Doch selbst wenn die eher gemächlich voranhüpfende Lolly nicht jedermanns Geschmack sein dürfte (wer auf "Zool 2" oder "Mr. Nutz" eingeschworen ist, sollte möglichst vor dem Kauf einen Probehopser wagen), so ist dieses Zuckerwerk doch eine Rarität im Plattform-Genre - nämlich ein echter Dauerlutscher! (rl)